Chemotherapie schädigt das Immunsystem nicht per se
Es ist eine landläufige Annahme, die Krebspatientinnen, Krebspatienten und Angehörige verunsichert: Chemotherapie sei immunsuppressiv. Stimmt das tatsächlich? Dr. med. Albrecht Kretzschmar gibt Antworten.
Eine Chemotherapie belaste grundsätzlich das Immunsystem einer betroffenen Person, könne man so nicht behaupten, stellt der Onkologe Dr. med. Albrecht Kretzschmar, Leiter des ZIO Glarus, sogleich klar. «Das Thema ist stark belastet», sagt Kretzschmar. «Man sagt, eine Chemotherapie sei immunsuppressiv, wovon übrigens viele Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln und anderen Präparaten profitieren. Doch so allgemein lässt sich das nicht sagen.»
Bei sogenannt «soliden» Tumoren, und damit bei besonders häufigen Krebserkrankungen, führt die Chemotherapie nicht unbedingt zu einer Schwächung des Immunsystems. «Ein Krebspatient oder eine Krebspatientin, die Chemo bekommt, ist im Winter nicht häufiger krank als andere Menschen», so Kretzschmar.
Bei Blutkrebs oder einem Lymphom beispielsweise leide das Immunsystem jedoch tatsächlich während der Krebstherapie. Meist, weil Kortison eingesetzt werden muss. Dadurch könne das Immunsystem Schaden nehmen, weshalb man in solchen Fällen auch direkt begleitende Massnahmen ergreife, um Erkrankungen zu vermeiden.
Unterscheiden zwischen den verschiedenen Krebsarten
«Diese Unterscheidung wird aber meist nicht gemacht», sagt der Onkologe. «Viele gehen darum allgemein davon aus, dass eine Chemotherapie grundsätzlich ihr Immunsystem schädige, und damit öffnen wir Tür und Tor für Anbieter von Präparaten, die angeblich das Immunsystem stärken sollen.» Nahrungsergänzungsmittel, die frei verkäuflich seien, hätten mit dem Immunsystem grundsätzlich gar nichts zu tun, auch wenn die Anbieter dies auf die Packungen schreiben würden. «Viele von diesen Produkten schaden vermutlich nichts, aber wenn ein Immunsystem tatsächlich geschwächt ist, dann braucht es andere Massnahmen.» Diese werden von den behandelnden Onkologinnen und Onkologen begleitend zur Krebstherapie vorgeschlagen.
Es stimmt hingegen, dass die neue Immun-Therapie eher weniger Nebenwirkungen verursacht als eine Chemotherapie. Allerdings besteht hier das Risiko, eine Autoimmunerkrankung zu erwerben.